Reconquista in Deutschland

Die Organisationen des Christentums sind zäh, was Erhalt und Ausweitung ihres Ein­flusses anbetrifft. Die Zeit arbeitet für sie, und häufig sind es laizistische Ein­rich­tun­gen, die sie dabei unterstützen. So wie das im Frühjahr 2025 bei uns wieder einmal der Fall ist. Offenkundig erleben wir gerade eine Reconquista, ungeachtet der Tatsache, dass Staat und Kirchen bei uns eigentlich getrennt sein sollten.

Reconquista bezeichnet die christliche (Rück-)Eroberung der iberischen Halbinsel durch Zurückdrängung des dortigen muslimischen Machtbereichs (al-Andalus) zwischen 722 und 1492. Daran wirkten insbesondere spanische Könige aktiv mit; nach dem Fall der letzten maurischen Festung Granada erhielten Isabel de Castilla und Fernando de Aragón vom Papst den Herrschertitel „Katholische Könige” verliehen.

Was das über ein halbes Jahrtausend später mit Deutschland zu tun hat?
Nun, erstens gab es zwischen dem 21. April und dem 18. Mai praktisch keine Tages­schau, die sich nicht ausgiebig – und meist als erstes Thema – mit einem aufge­bahr­ten Papst beziehungsweise der Wahl und Inauguration seines Nachfolgers beschäftigte. Nur zur Erinnerung: Diese Nachrichtensendung erscheint nicht bei Bibel-TV, sondern auf einem öffentlich-rechtlichen Sender.
Zweitens machte in diesem Zeitraum auch unsere neue Bundesregierung aller­christ­lichst von sich reden. Zunächst verzichteten lediglich vier der 18 Kabi­netts­mit­glieder bei ihrer Vereidigung auf die zusätzliche religiöse Formel „so wahr mir Gott helfe” (bei der Vorgängerregierung hielten das 2021 noch acht von 17 für unnötig). Zudem lassen zwei Ernennungen durch den Kanzler erkennen, dass er eine religiös-konservative Wende in unserem Land einleiten möchte: Mit Wolfram Weimer wird ein Mann Kul­tur­staatsminister, der Religion als „Segen für die Gesellschaft” feiert und „radikale Athe­isten” für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich macht. Und Staatsministerin für Bildung mit Einfluss auf Schulpolitik und Unter­richts­inhalte wird Petra Bahr, eine Bischöfin.

Dass Friedrich Merz einen modernen Kreuzzug einleitet, mag übertrieben klingen. Aber darf ich daran erinnern, dass mehr als die Hälfte aller Deutschen überhaupt keiner christlichen Konfession angehört?